Mittwoch, 23. Januar 2013

Die Gefahr aus der Dunkelheit -1-


Prolog

Es ist dunkel. Nur ein schwaches Licht umrahmt die Konturen von Strassenlaternen und Hausecken. Lange Schatten bieten ein obskures und ungemütliches Bild einer unheilvollen Gegend.

Eine Person biegt um die Ecke und schleicht mit der Dunkelheit  an der Wand entlang. Sein tiefschwarzer Mantel mit Kapuze machte aus ihm ebenfalls einen Schatten- einen wandelnden. Nur die Augen sind zu sehen. Sie sind Tiefrot. Sie brennen, wie die Feuer der Hölle, so bedrohlich und angsteinflössend.

Eine hell leuchtende Gestalt erscheint. Sie schwebt herab, scheinbar aus dem Himmel. Mit helblau schimmernden Flügeln. Ein Engel mit Schwert und Schild. Die Dunkelheit wird verdrängt von einem gleissenden Licht. Scheinbare Hoffnung und Reinheit. Einzig der Dunkle Mantel und die Roten Augen scheinen gegen das Licht immun zu sein. Die düstere Gestalt hat nichts an Freundlichkeit gewonnen, sie wirkt noch immer bedrohlich. Langsam bewegt sie ihren Kopf zur schwebenden Himmelsgestalt.

"Ah. Da bist du ja, mein lieber Freund" spricht sie in gespielter Harmonie. "Hast du dir mein Angebot überlegt? Du und ich, wir beide regieren die Welt. Ein grosser Spielplatz mit all ihren Bauklötzen und Puppen. Sag ja, und wir werden beide glücklich. Sie ist gross genug für uns beide."
"Spielen? Du willst spielen? Wahrlich mein 'Freund'." Der Sarkasmus war nicht zu überhören. "Wir werden spielen. Aber nicht mit dieser Welt. Diese Welt gehört nicht dir und sie gehört nicht mir. Aber wir werden spielen, das versrpeche ich dir. Du gegen mich. Ich gegen Dich. Auf Leben und Tod. Der Gewinner bestimmt das Schicksal dieser Welt. Oh ja Azael, Sohn des Teufels und Quelle allen Elends, wir werden spielen!"
Der Mantel fiel zu Boden, und anstelle von Dunkelheit strahlte die scheinbar nackte Gestalt nun scharlachrot und seine Augen wandelten sich in das dunkelste Schwarz, das man sich vorzustellen vermag.  In der linken Hand hält er eine Peitsche, in der Rechten einen Dreizack.
"Ach Gabriel. Du Narr eines Erzengels." Seine Stimme hat ihre Freundlichkeit verloren und scheint sich aus tiefem Hass zu nähren. "Du schlägst mein oh doch so grosszügiges Angebot aus? Du kommst hier herunter in der Gestalt einer Gotteskriegerin und bedrohst mich? Mich? Wahrlich naiv. Nun denn, du wählst den Weg des Todes."

Aus den Gassen und Strassen eilen Menschen herbei. Mit ausgestreckten Armen laufen sie in Richtung des Erzengels. Sie schreien wild durcheinander. "Unsere Rettung", "Es gibt Hoffnung"... Einer nach dem anderen fällt hin, bleibt regungslos liegen. Gabriel reisst Augen und Mund auf, sein Geischt verwandelt sich in einen Ausdruck aus Schock und Trauer.
"Bleibt weg, verschwindet, er wird euch alle töten!".
Aber es ist zu spät. Alle sind sie tot. Es sind Dutzende.   

Azael lächelt. "Das macht solch einen Spass. Wahrscheinlich hast du recht- die Welt ist nicht genug gross für uns beide."

Sie schauen sich an. Ein kurzes Luftholen vor dem grossen Showdown. Beide spannen sie ihre Muskeln, umklammern bestimmt ihre Waffen und holen aus.

"Möge der Kampf der Beginnen!"

Das Licht verschwindet. Aus Laternen, Häuser und Leichen wird wieder eine kurisose Kontur mit skurilen Schatten und schlussendlich verschwinden auch die Umrisse.

Dunkelheit.

Langsam und schüchtern durchquert ein erstes Klatschen den Saal. Immer mehr stimmen ein...

Tosender Applaus

Samstag, 19. Januar 2013

Hilflos -Teil 2-

-Kapitel 1 -

Patrick Sanders stieg aus seinem Auto, strich seinen Anzug glatt und seufzte. Er wusste nicht, was er heute anziehen sollte. Alltagskleidung schien ihm unangebracht, ein Anzug scheinfromm. Er hatte sich aber dennoch für den Anzug entschieden, um zumindest Respekt zu zeigen und dem Verstorbenen Ehre entgegen zu bringen.
Er kannte Leutnant Hauser nicht gut. Zumindest nicht gut genug, um ihn als Freund zu bezeichnen. Ein- oder zweimal wurde er von ihm um Rat gefragt und man sah sich ab und zu in der Mittagspause, aber auch da verlief ihre Kommunikation auf oberflächlicher Ebene. Trotzdem ist es aber natürlich immer schockierend, wenn man einen Kollegen verliert. Und dann auch noch der erste, seit seiner Verlegung in die Schweiz.

Er merkte, dass er immer noch vor seinem Auto stand und zwang seine Beine, sich zu bewegen. Er war neugierig, wie sich seine Schweizer Kollegen verhielten. Es war keine angenehme Art der Neugierde, er hätte gut und gerne darauf verzichten können, aber sie war trotzdem gross. Auch das war ein Teil seines Wesens. Wahrscheinlich sogar ein bedeutender in anbetracht seines Berufes. Er analysierte Menschen, er nahm ihre Reaktionen und Gefühle stärker wahr als die meisten anderen. Schweizer sind sehr reservierte Menschen. Sie sind im Allgemeinen sehr hilfsbereit und zuvorkommend, herzlich und einfühlsam, aber sie zeigen ihre Gefühle nur sehr selten.
Als er die vielen Treppen des Luzerner Agency Departments hochstieg, ging ihm nochmals das Telefonat eine Stunde zuvor durch den Kopf.
Er hatte etwas Mühe mit seinem neuen Handy. So ging es eine Weile, bis er  den Anruf aus der Zentrale des LAD entgegennehmen konnte. Er lachte als er sagte: „Sanders hier, sorry, ich habs nicht so mit eurer Technik“. Natürlich stimmte das nicht. Er hatte eigentlich viel übrig für technische Dinge und sie war nicht anders als jene in den Staaten. „Tut mir leid sie zu stören, Mr. Sanders“ erklang eine sanfte Stimme aus dem Hörer, „aber ich muss sie in die Zentrale bitten." Er erkannte Jessica, die Sekretärin vom Chef "Leutnant Stefan Hauser wurde heute Nacht tot aufgefunden. Mehr darf ich ihnen leider nicht sagen. Ihr Abteilungsleiter hat umgehend eine Sitzung einberufen. Sie sollten so schnell wie möglich kommen“. Seine Gedanken spielten verrückt. Er wollte Fragen stellen, dutzende von Fragen. Warum? Wer? Wann? Wo? „In Ordnung, ich beeile mich!“ Seine Antwort klang nüchtern.  

Er legte die Hand auf den Türgriff, atmete tief durch und versuchte sich darauf vorzubereiten, was ihn gleich erwarten würde. Das blanke Chaos? Unendliche Trauer? Schock? Angst? Er stellte sich auf vieles ein, aber nicht auf das, was er vorfand;  er starrte in einen beinahe menschenleeren Raum. Die vielen Bürotische waren tadellos aufgeräumt und verrieten nichts von einer Tragödie. Einzig Jessica sass wie gewohnt an ihrem Tisch neben dem einzigen abgetrennten Büro des Raumes. Als sie ihn ansah, bemerkte er, wie mitgenommen sie aussah. „Wo sind denn alle?“ er bemühte sich um eine sanfte Stimme. „Im Sitzungszimmer im Fünften, sie warten nur noch auf sie!“ ihre Antwort wirkte kraftlos. Es ist der erste Mord an einem Mitarbeiter des LAD seit ihrer Gründung vor zwei Jahren, sie weiss nicht, wie sie damit umgehen soll. Halt, woher weiss ich, dass es ein Mord war? Warum sonst die Geheimhaltung am Telefon? Warum sonst die dringliche Sitzung? Seine Intuition leitete ihn meist richtig, auch wenn er sich oft nicht gleich bewusst war, weswegen.
Er beeilte sich, denn er hasste es, Letzter zu sein. Er versuchte stets, zu den Ersten zu gehören, damit er die Leute studieren konnte. In seinem Glauben ist er stets im Vorteil, wenn er die Stimmung in ihrer Entstehung wahrnehmen und sich an die Räumlichkeiten gewöhnen kann. Wenn er sich wohlfühlt, läuft er zu hochform auf.

Heute wird dies nicht möglich sein. Er erreichte, leicht ausser Atem, den fünften Stock und gab sich wiederum einen kurzen Augenblick Zeit um sich zu sammeln, dann öffnete er die Türe. Das ganze Stockwerk war ein einziger grosser Raum mit verschiedenen Tischen und sehr vielen Stühlen und diente sowohl als Sitzungszimmer sowie als Pausenraum. Der Raum war so gestuhlt, dass die Abteilungs- und Teamleiter den restlichen Mitarbeitern gegenübersassen.
Es herrschte eine seltsame Stimmung. Er hatte Mühe, die Gesichter zu deuten, die sich unmittelbar zu ihm umdrehten.
Sie enthielten eine gewisse Spannung. Er versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, entschuldigte sich für sein spätes Eintreffen und suchte seinen Platz, welcher neben seinem Abteilungsleiter am anderen Ende des Raumes lag.

Das ganze LAD war versammelt. Es gab selten Anlässe, welche die Anwesenheit aller drei Abteilungen erforderte, doch heute war kein normaler Anlass. Die drei Abteilungsleiter sahen sich an, als wären sie unentschlossen wer das Wort ergreifen sollte. Schliesslich erhob sich Captain Rast, der für die Abteilung Mord und Drohung verantwortlich ist und begann mit ernster Stimme:“ Heute Nacht ist etwas schreckliches passiert. Lt. Stefan Hauser wurde in der still gelegten Kaserne auf der Luzerner Allmend tot aufgefunden. Man hat ihn erschossen. Das sind die Fakten, welche die meisten von euch bereits kennen. Lt. Hauser war allerdings nicht das einzige Opfer. Auch seine 12- Jährige Tochter wurde, ebenfalls erschossen, tot in der Kaserne aufgefunden. Von einem Mord mit anschliessendem Selbstmord wird nicht ausgegangen, da die Waffe des Lt. nicht benutzt wurde. Zurzeit ist ein Team der Stadtpolizei mit ihren Spezialisten sowie zwei Leute von uns vor Ort. Wir werden eine Gruppe zusammenstellen; je zwei Agenten aus jeder Abteilung. Alles Weitere werdet ihr durch eure Abteilungsleiter zu gegebener Zeit erfahren. Die Beerdigung wird am kommenden Sonntag stattfinden. Patrick Sanders, Sandra Honauer, Jong Chang und Martin Aregger mögen bitte zur weiteren Besprechung hier bleiben.“ Er legte eine kurze Pause ein und schien jeden einzelnen Mitarbeiter in diesem Raum für einen kurzen Augenblick mit einer Mischung aus Mitgefühl und Trotz anzuschauen.“ Der Verlust ist eine Tragödie, aber wir sind Profis, das können wir uns jetzt beweisen. Zurück an die Arbeit.“
Widerwillig erhoben sich die knapp 70 Angestellten und begannen langsam, den Raum zu verlassen. Die Stimmung war am Boden. So Niedergeschlagen hatte Sanders die sonst so nüchternen Schweizer noch nie erlebt. Er konnte noch nicht ganz beurteilen, ob es blosse Trauer oder auch Angst war. Angst, weil ihnen durch diesen Mord das erste Mal richtig klar gemacht wurde, dass ihr Job auch Gefahren mit sich bringt. Gefahr für jeden von Ihnen und vor allem auch für ihre Familie. Viele meiner Kollegen werden schlaflose Nächte erdulden, solange wir den Fall nicht gelöst haben!

Er bemerkte, dass eine Mitarbeiterin ihn musterte, als sie den Raum verliess. Es war allerdings nicht einfach nur eine Begutachtung, es lag eine Art von Hass in ihrem Gesicht, dass es ihm kalt den Rücken runterlief. Sie war nicht die einzige. Es wurden immer mehr und in jedem Gesicht war diese Abneigung deutlich zu erkennen. Verdammt. Was ist hier los?

Er war froh, als sich der Raum geleehrt hatte. Er seufzte und wandte sich auch sogleich seiem Captain zu. Dieser sah ihn unsicher an und flüsterte: "Du steckst in grossen Schwierigkeiten, Patrick"...

Donnerstag, 17. Januar 2013

Hilflos -Teil 1-

Prolog

Das Licht seiner Taschenlampe flackerte. Die Kellerräume waren absolut dunkel, ohne jegliche Beleuchtung durch Lampen oder Fenster. Er klopfte mit seiner Waffe leicht gegen die einzige Lichtquelle; in der Hoffnung, es sei nur ein Wackelkontakt und nicht die bald leeren Batterien, die die Störung verursachte. Es hörte allerdings nicht auf… Er prägte sich so schnell wie möglich seine nähere Umgebung ein und schaltete die Taschenlampe aus. 
Das wenige Licht werde ich noch brauchen... später! 
Er verfluchte sich, dass er die Batterien nicht ausgetauscht hatte, doch wer konnte schon von ihm erwarten, dass er nach so einem Anruf einen klaren Kopf behielt?
Er schloss die Augen, in der Hoffung, dass sie sich an die Dunkelheit gewöhnten, obwohl er genau wusste, dass dies unmöglich war, wenn gar kein Licht vorhanden war. Während er die Augen geschlossen hatte, projizierte er seine Umgebung in seinen Geist. Der breite, verschmutzte Gang zog sich schier endlos in die Länge. Die weissen Platten und die unzähligen Ratten zeigten schamlos auf, dass hier wohl seit Jahrzehnten nicht mehr sauber gemacht wurde. Das Beunruhigende war aber die Blutspur, welche 3 Türen weiter in einen Raum zu seiner rechten einbog. Die Blutspur konnte nicht älter als ein paar Stunden sein, denn sie war noch immer feucht. Das viele Blut musste einem Erwachsenen gehören… Ein Kind wäre mit Sicherheit tot… 
Es MUSS einem Erwachsenen gehören!
Beim blossen Gedanken daran, dass dies das Blut seiner Tochter sein könnte, drohte er die Fassung zu verlieren. 
Verdammt, konzentrier dich. 
Er fing sich, zwang sich die Augen zu öffnen und tastete sich langsam vorwärts. Er hielt die Taschenlampe, immer noch als Stütze für seine Waffe, in der linken Hand, als würde sie funktionieren. Nach jedem Schritt hielt er kurz inne, um zu lauschen. 
Nichts zu hören.
Er kam nur sehr langsam vorwärts. Der Weg bis zur besagten Türe schien unendlich zu sein. Er glaubte, Geräusche zu hören, war sich aber nicht sicher, ob er sich die nur einbildete. Er machte einige Schritte vorwärts. Nun war er sich sicher, etwas zu hören. Das Geräusch wurde immer lauter. 
Atmen? Stöhnen? Er stand mittlerweile vor der Tür, in welche die Blutspur führte. Wimmern! 
Er legte seine Hand an den Türgriff und betete, dass seine Taschenlampe ihn nicht im Stich lässt. 
Jetzt muss jeder Handgriff sitzen! 
Als er die Türe langsam öffnete, durchsuchte er mit dem restlichen, schwachen Licht den Raum. Das Wimmern war jetzt unüberhörbar. Die dazugehörige Stimme brannte sich in sein Gehör und seine Aufmerksamkeit richtete sich in die Mitte des Raumes. Auf einem Stuhl sass mit hängendem Kopf seine Tochter. Sie war nicht gefesselt oder geknebelt. Als er zu ihr rannte, versagte seine Taschenlampe vollends. Er war allerdings genug nahe bei ihr, um die restliche Distanz gut abschätzen zu können, packte ihre Arme und zog sie zu sich heran. 
„Geht’s dir gut?“ Keine Antwort. „Schatz?“ 
Er tastete ihren Körper nach Verletzungen ab, konnte jedoch nichts finden. Sie sass apathisch da. Liess alles mit sich machen und war scheinbar unfähig etwas zu sagen oder sich zu bewegen. Ausser dem Wimmern und dem rasenden Puls gab sie keinerlei Lebenszeichen von sich. 
„Alles wird gut, ich bin da. Ich hol dich hier raus.“ Kaum waren seine Worte verstummt, hörte er hinter sich ein leises Lachen. 
Oder war es vor ihm? Er konnte keine Richtung bestimmen. Die leeren Räume verunmöglichten die Ortung des Geräusches. Er richtete seine Waffe in die Richtung, in welcher er den Ausgang glaubte. 
„Kalt.“ Die Stimme lachte. „Aber das ist ja nicht das erste mal, dass du daneben liegst!“. 
Er erkannte die Stimme. Aller Mut und der letzte Funken Hoffnung war verschwunden. Er umarmte fest seine Tochter, im Wissen, was geschehen wird. 
„Wir haben dich gewarnt“. 
Er war nicht in der Lage, darauf zu antworten. Ein Schuss hallte durch den Raum. Doch der erwartete Schmerz blieb aus. 
Hat er daneben geschossen? 
Er spürte wie etwas auf seine Hände und Arme tropfte. Seine Tochter sackte in sich zusammen. Als er sich bewusst wurde, dass er nicht daneben geschossen hatte, liess er seine Waffe fallen und brach in Tränen aus. 
Er wollte schreien. 
Er wollte fluchen.
...er flüsterte... 
„...erschiess mich“

Hoffnung kommt von oben -1-

Prolog

Er küsste sie. Er küsste sie nochmal und nochmal. Immer wieder. Sie heulte hemmungslos und auch ihm lief eine Träne die Wange hinunter. Eine zweite. Es ist so hart.
Sie riss sich von ihm los und rannte zum Taxi. Kurz vor ihrem Ziel blieb sie abrupt stehen und drehte sich noch einmal um, zwang sich zu einem kraftlosen, aber optimistischen Lächeln und formte ihre Lippen zu einem stummen „Ich liebe Dich“. Er versuchte ebenfalls zu lächeln, er wollte es so sehr. Er wollte bei ihr einen guten letzten Eindruck hinterlassen.
Es gelang ihm nicht.

Langsam streckte er seine Hand aus, als würde er nach ihr greifen wollen. Ihre Gesichtszüge wurden wieder trauriger und sie taumelte die letzten Schritte rückwärts zum Taxi, als wolle sie seiner Hand entfliehen. Schliesslich stieg sie ein und verliess ihn. Endgültig. Für immer.
Er fühlte sich einsam. Abgekapselt von der Welt, die weiterhin funktionierte wie eh und je. Aber er, er funktionierte gerade nicht. Ihm fehlte der Antrieb. Ihm fehlte seine Freundin. Ihm fehlte mindestens eine ganze Hälfte von sich selber. Die bessere Hälfte.

Er wusste nicht, wie lange er da stehen blieb und ins leere starrte oder wie viele Leute ihn beobachteten. Er verlor jegliches Gefühl für Raum und Zeit und es war ihm auch völlig egal, denn all dieser Raum und all diese Zeit würde in Zukunft ohne sie sein.
Nach einiger Zeit löste er sich von seinem Platz. Seine Augen brannten.  Er lief durch die Gegend. Orientierungslos. Ziellos. Nicht in blinder Panik, sondern in tiefer Hoffnungslosigkeit.

Ein paar Stunden später hatte er sich etwas gesammelt und steuerte auf seinen Lieblingsplatz zu. Ein Aussichtspunkt, mitten in Luzern mit Sicht auf den See, die Berge und die Stadt. Eine kleine Mauer, die ihm nicht höher als bis zum Knie reichte, grenzte den Platz ein. Für ihn war die Mauer allerdings meterhoch. Durchsichtig, imaginär, aber unüberwindbar für all seine Sorgen und Probleme.
Normalerweise setzte er sich auf die steinerne Bank, die bewacht von zwei grossen, stämmigen Birken in der Mitte des Platzes steht. Doch heute war kein normaler Tag. Kein normales Problem beschäftigte ihn. Kein kurzes Durchatmen würde ihm Hoffnung geben.

Er suchte sich einen Platz am Rand und setzte sich auf die Mauer. Starrte in die Ferne, ohne etwas Bestimmtes zu beobachten. Dann sah er auf seine Füsse und den metertiefen Abgrund, der sich darunter verbarg. Ohne diese feige Art der Selbstzerstörung wirklich in Betracht zu ziehen, war ihm dieser verlockende Ausweg nur zu gut bewusst.
Er zwang sich, den Abgrund zu ignorieren und sich dem Himmel zuzuwenden. Hoffnung kommt von oben. Gerade als er sich auf die Mauer legen und mit der linken Hand seinen Stellungswechsel abstützen wollte, kippte einer der Decksteine der Mauer weg und fiel gemeinsam mit ihm rückwärts zu Boden. Er fluchte lauthals, klopfte sich den Dreck von den Kleidern und stand auf. Als er den Stein wieder an seinen Bestimmungsort legen wollte, fiel es ihm auf. Ein brauner Umschlag, (muss unter dem Stein gelegen haben) auf dem gross das Datum von vor zwei Tagen zu lesen war. Ob der für jemanden bestimmt ist?

Er konnte nicht wiederstehen und öffnete Ihn.